Insbesondere die letzten zweieinhalb Jahre haben gezeigt, dass mittelständische Unternehmen in Krisen eine andere staatliche Unterstützung erfahren als Konzerne. Ein Mittelständler ist nicht nur gefordert, eigene Wachstums- und Risikokonzepte zu entwickeln, sondern zumeist sich selbst überlassen, wenn diese nicht funktionieren. Erfahren Sie, was konzeptionell zu bedenken ist.
Ein erfolgreiches Unternehmen realisiert mit den passenden Leuten und einem überlegenen Konzept in die Zeit passende kluge Ideen. Allerdings werden Unternehmen relativ selten erfolgreich, denn ca. 80 Prozent aller Neugründungen floppen innerhalb der ersten 5 Jahre und von denen, welche diese Zeit überstehen, schaffen nur ca. 40 Prozent, mehr als die eigenen Gehälter zu verdienen. Und auch die Geschäftsmodelle dieser erfolgreichen Unternehmen haben ein „Verfallsdatum“, da sich relevante Rahmenbedingungen permanent ändern. Zu diesen sich permanent ändernden Rahmenbedingungen zählen exemplarisch das Verhalten der Wettbewerber, veränderte Kundenwünsche, neue Technologien, Erfindungen, politische Einflüsse, Gesetzesänderungen und Ressourcenknappheit, um nur einige Faktoren zu nennen. Deshalb sind auch erfolgreiche Geschäftsmodelle regelmäßig an sich verändernde Rahmenbedingungen anzupassen, denn wenn die Veränderungsgeschwindigkeit im Markt größer als im Unternehmen wird, führt dies im Unternehmen unweigerlich zu Problemen.
Opfer und Profiteure der Krisen
Die geopolitischen und gesundheitspolitischen Maßnahmen der Regierungen haben innerhalb der letzten zweieinhalb Jahre zu deutlich veränderten Rahmenbedingungen für Unternehmen jedweder Größenordnung geführt. Manche Unternehmen konnten hierdurch erheblich profitieren und andere haben massiv verloren. Die Karten wurden neu gemischt.
Erfolgreiche Unternehmen mit ihren überlegenen Geschäftsmodellen zeichnen sich durch komparative Wettbewerbsvorteile aus. Aus Kundenperspektive muss es nämlich gute Gründe geben, ein Unternehmen gegenüber seinen Wettbewerbern zu bevorzugen. Monopolisten haben es hier naturgemäß leichter als Unternehmen in kompetitiven Märkten, die entweder besser oder billiger als ihre Konkurrenten sein müssen, sofern sie nicht beliebig austauschbar werden wollen. Ein Unternehmen ohne Wettbewerbsvorteile verkauft häufig zu niedrigen Preisen, welche nicht auf Basis von Einkaufs- oder Effizienzvorteilen, sondern auf Basis von Margenverzicht zustande kommen. Deutsche Unternehmen zählen in puncto Umsatzrentabilität zu den Schlusslichtern im internationalen Vergleich.
Viele waren bereits vor den Krisen in einer Krise
Es erübrigt sich beinahe zu erwähnen, dass sich viele Unternehmen auch vor den Krisen bereits in schwierigen Situationen befanden, da es ihnen nicht gelang, sich durch komparative Wettbewerbsvorteile vom Wettbewerb abzuheben und rentable Umsätze zu generieren. Im Zuge von Krisen geraten diese Unternehmen nachvollziehbar unter weiteren Druck. „Systemrelevante“ große Unternehmen erhalten teilweise umfangreiche Unterstützung, während die Mittelständler auf sich gestellt bleiben. Das ist prekär, da die Resilienz der meisten mittelständischen Unternehmen nicht besonders ausgeprägt ist.
Maßgeschneiderte Factoring oder Forderungsausfallversicherungen etc. könnten Lösungsoptionen darstellen, aber einerseits wird der eigene Gewinn durch die hierdurch entstehenden Gebühren weiter geschmälert und andererseits lehnen die Finanzdienstleister viele Geschäfte ab, die aus ihrer Perspektive zu risikoreich sind. Böse Zungen behaupten, dass eh nur die Risiken übernommen werden, die keine Risiken sind. Das ist wohl vom Anbieter abhängig. Positiv ist aber, dass beim Einsatz eines solchen Finanzdienstleistungsprodukts eine engmaschige Bonitätsbeurteilung des Kunden stattfindet, welche der Mittelständler oftmals komplett unterlässt.
Was der Mittelständler selbst kann, ist das regelmäßige Einholen von Wirtschaftsauskünften bei Spezialisten wie Creditreform etc. Zudem muss er lernen, NEIN zu sagen, wenn Aufträge zu wenig Ertrag und/oder zu viel Risiko bescheren.
Arbeiten Sie an Ihren Wettbewerbsvorteilen
Letztendlich gibt es aber kein auf alle Unternehmen anwendbares Patentrezept. Um ein für das Unternehmen passendes Risikomanagement zu entwickeln und zu implementieren sind die besonderen Problematiken des Mittelständlers zu berücksichtigen.
Drei große Stolperthemen für Mittelständler
Nun ist die Versuchung besonders groß, quasi jeden Umsatz realisieren zu wollen, ohne auf relevante Details zu achten. Zu diesen relevanten Details zählen beispielsweise
- der Gewinn, der mit einem definierten Umsatz realisiert wird, denn ohne eine Kalkulation auf Vollkostenbasis (mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung) realisiert so mancher Mittelständler toxische Umsätze, d. h., dass unter Berücksichtigung sämtlicher Kosten ein Minus erwirtschaftet wird.
- der Kundenwert CLV (Customer Livetime Value), denn es gibt Kunden, die viel Arbeit und Umsatz bescheren, aber keine Gewinne, da sie zu niedrige Preisvereinbarungen innehaben oder einfach schlecht zahlen etc.
- die Bonität des Kunden, denn was nützt ein guter Umsatz bei einer schlecht abgesicherten Zahlungsvariante? Einem selbst „angeschlagenen“ Kunden mit zu guten Zahlungskonditionen entgegenzukommen rächt sich spätestens bei dessen Insolvenz, denn zwar wurde das Anfechtungsrecht im Insolvenzverfahren im Jahr 2017 reformiert, aber immer noch haben Insolvenzverwalter die Möglichkeit, erhaltene, verbuchte und bereits längst reinvestierte Zahlungen auch noch Jahre später zurückzufordern, wenn nachgewiesen werden kann, dass man von den Zahlungsschwierigkeiten des Kunden wusste. Wer demnach seinem Kunden und sich selbst durch das Möglichmachen von Geschäften mit Hilfe von besonderen Zahlungskonditionen unterstützen möchte, bringt sich möglicherweise selbst in eine schwierige Situation.
Außerdem empfiehlt es sich ausdrücklich nicht, beim Risikomanagement nur auf das Verwalten von Einkünften und die hiermit verbundenen Risiken zu achten, sondern den Betrachtungshorizont auch auf andere Einflussbereiche zu erweitern. Schließlich kann jedes Risiko einen potenziellen Verlust oder Schaden bedeuten. Und nicht vergessen werden sollte das Anpassen des Geschäftsmodells dahingehend, dass auf der Basis von komparativen Wettbewerbsvorteilen neue ertragreiche Kundenbeziehungen etabliert werden können. Jedes Geschäftsmodell sollte regelmäßig von fachkundiger Seite überprüft und optimiert werden. So wie man selbst zur ärztlichen Vorsorge geht oder sein Auto zur Inspektion bringt, sollten Geschäftsmodelle ebenfalls einem regelmäßigen Check unterzogen werden.
8 Empfehlungen für Mittelständler
- Identifizieren Sie, welche Umsätze welche Gewinne realisieren.
- Ermitteln Sie den Wert Ihrer Kunden (CLV) bzw. finden Sie heraus, wer Ihnen Verluste beschert.
- Prüfen Sie Ihre Zahlungsvereinbarungen auf Ausfall- und Insolvenzsicherheit.
- Prüfen Sie die Sinnhaftigkeit der Unterstützung eines Finanzdienstleisters im Forderungsmanagement.
- Etablieren Sie ein eigenes Kundenmanagement inkl. Bonitätsmonitoring mit den Daten von Auskunfteien.
- Optimieren Sie Ihr Geschäftsmodell.
- Schaffen Sie mit einer neuen Strategie komparative Wettbewerbsvorteile und verbessern Sie Ihre Marktbedeutung nachhaltig.
- Adressieren Sie neue bonitätsstarke Kunden mit für diese attraktiven und für Sie lukrativen Angeboten.