„Der Kunde ist König“ ist traditionsgemäß eine geläufige Floskel, über deren Richtigkeit die wenigsten nachdenken. Schließlich verhält sich nicht jeder Kunde „königlich“ und betrachtet man den Aufwand, den einzelne Kunden verursachen, steht dieser oftmals in keinem Verhältnis zum Ertrag. Hohe Rabattforderungen, schleppende Zahlungen und Vertragsuntreue sind nur einige Beispiele dafür, weshalb man das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Kunden untersuchen sollte, bevor man auf die jeweilige Kundenbeziehung Mühen ver(sch)wendet.
Dieser Artikel wurde am 11. Januar 2019 in auf das Format angepasster Form bei FOCUS veröffentlicht. Klicken Sie hier, um den Artikel dort zu lesen. Zudem wurde der Fachbeitrag speziell für B2B Geschäfte neu ausgefertigt und am 16.01.2019 auf MittelstandsWiki hier veröffentlicht.
Nicht jeder Kundenverlust ist ein Verlust
Im Privaten weiß man schon lange, dass einseitige Beziehungen von kurzer Dauer sind. Wer jemanden mehrfach zum eigenen Geburtstag einlädt, aber nie eine Gegeneinladung erhält, wird dies früher oder später zum Anlass nehmen, die Beziehung zu dieser Person zu überdenken. Im Geschäftsleben sollte dies ähnlich sein, denn kaum eine Geschäftsbeziehung ist damit umfassend beschrieben, dass jemand kauft, was ein anderer anbietet. Von besonderer Relevanz sind die Details der Geschäftsbeziehung und auch das jeweilige Verhalten von Anbieter und Nachfrager.
Als Kaufland zuletzt erklärte, dass man die Produkte von Unilever auslisten wird, konnten wahrscheinlich viele den Reflex nicht unterdrücken, Unilever als Opfer dieses Vorgangs zu identifizieren, denn der Konzern verliert mit Kaufland schließlich einen (wichtigen) Kunden. Nachdem allerdings Unilever erwiderte, dass Kaufland trotz sinkender Absatzzahlen immer günstigere Einkaufspreise forderte und der Konzern diesen Forderungen nicht weiter nachkommen wollte, relativierte sich die Sichtweise so mancher. Unilever wird wahrscheinlich eine Kundenwertanalyse durchgeführt und einen Grenzwert ermittelt haben, ab dem Kaufland als Kunde deutlich an Wert verliert. Ist der Grenzwert erst einmal erreicht, wird ein Kunde nämlich teuer. Speziell in diesem Fall drängt sich die Frage auf, ob die „Machtdemonstration“ von Kaufland nicht eher ein „Eigentor“ war. Schließlich erfreuen sich die Unilever-Produkte reger Nachfrage und es bleibt abzuwarten, ob Kaufland früher oder später nicht doch einlenken wird. CLV, Kundenlebenszeitwert, Kundenwert, Unternehmensberatung, Franken-Consulting
Der CLV als Kennzahl
Seit geraumer Zeit wird der Kundenwert im B2C mit dem CLV (Customer livetime value / Kundenlebenszeitwert) gemessen. Dieses machtvolle Marketinginstrument ist den Verbraucherschützern zwar ein Dorn im Auge, aber durch die fachgerechte Berechnung von Kundendaten ist es den Unternehmen möglich, ihre Aufwendungen zielgenau dort zu investieren, wo sich diese auch maximal lohnen. Der CLV ermittelt sich aus bis zu tausenden persönlichen Daten und gibt Auskunft darüber, welche Erträge ein bestimmter Kunde dem Unternehmen wahrscheinlich bescheren wird – und zwar über sein gesamtes Kundenleben.CLV, Kundenlebenszeitwert, Kundenwert, Unternehmensberatung, Franken-Consulting
Kunden mit einem hohen CLV sind aus Unternehmenssicht besonders attraktiv und werden deshalb auch besonders umworben und gepflegt. Sie verbringen nur wenig Zeit in der Telefonwarteschleife, erhalten die besten Konditionen und werden mit vielen Premiumleistungen gebunden.
Mobilfunk- und Kreditkartenunternehmen, Hotelketten, Fluggesellschaften, Autohändler und viele weitere Firmen ermitteln höchstprofessionell, wer in den vergangenen Jahren was genau wann, wo und wie oft gekauft oder gebucht hat. Zudem bieten Datenbroker an, weitere Informationen über einzelne Kunden zu beschaffen sowie die Vielzahl an Daten zu gewichten und daraus individuelle Kundenlebenszeitwerte zu berechnen. Die Datenexperten kennen die Zahl der Facebook-Freunde und das Klick-Verhalten, aus dem sich Vorlieben und Persönlichkeitsmerkmale ableiten lassen. Es bleibt auch nicht unberücksichtigt, welcher Verbraucher wie oft bei Hotlines anruft, Waren reklamiert und Online seinen Unmut äußert. Hobbys, Lieblingsrestaurants und -geschäfte und das jeweiliges Google-Suchverhalten inklusive der Webseitenbesuche beim Mitbewerb sind ebenfalls keine Geheimnisse. Alter, Geschlecht, Beruf, Familien- und Wohnungsgröße, die Wohngegend, Hautfarbe, politische und religiöse Ansichten, Finanzen, Behinderungen, Erkrankungen und vieles mehr ist von Bedeutung, um den CLV zu berechnen. CLV, Kundenlebenszeitwert, Kundenwert, Unternehmensberatung, Franken-Consulting
Die Mär von der Gleichheit der Kunden
Aus alledem resultiert, dass eben nicht jeder Kunde gleich (wertvoll) ist und dass sich dieser Erkenntnis folgend Unternehmen nicht nur in ihrem jeweiligen Betreuungsverhalten pro Kunde auf die neuen Möglichkeiten der Datennutzung einstellen, sondern auch bereits bei der Produkt- und Dienstleistungsentwicklung. Wenn die Zukunftsaussichten eines Unternehmens bislang aus den Bilanzen und der Aktienkursentwicklung abgeleitet wurden, so könnte zukünftig die Summe der Lebenszeitwerte aller Kunden ebenfalls von allerhöchstem Interesse sein. CLV, Kundenlebenszeitwert, Kundenwert, Unternehmensberatung, Franken-Consulting
Aufgrund anderer Datenschutzgesetze ist das Erstellen von CLV´s in den USA noch leichter als in Europa, aber auch bei uns arbeiten die Datenwissenschaftler eifrig an gesetzeskonformen Konzepten. Zu Beginn der 2000er Jahre glaubten noch viele an die Anonymität im Internet, aber mittlerweile dürfte jedem klar geworden sein, dass wir in keinem Absatzkanal transparenter sind, als im digitalen. CLV, Kundenlebenszeitwert, Kundenwert, Unternehmensberatung, Franken-Consulting
Ethik und Best Practice
Nun mag man sich über so viel Transparenz und Möglichkeiten des Missbrauchs echauffieren, aber wer möchte es den Unternehmen verübeln, dass sie die für sie besten Kunden identifizieren und an sich binden wollen? Viel wichtiger ist doch die Frage danach, welche Wertkriterien in welcher Gewichtung zur Anwendung kommen sollten, um die „besten Kunden“ zu ermitteln? CLV, Kundenlebenszeitwert, Kundenwert, Unternehmensberatung, Franken-Consulting
Wenn man unterstellt, dass es für ein Unternehmen unwirtschaftlich ist, alle Kunden gleich gut oder schlecht zu bedienen, muss folgerichtig eine Aufteilung der vorhandenen Kapazitäten erfolgen. Diese Priorisierung bedeutet eine individuell am jeweiligen Kundenwert angepasste Behandlung. Hierbei bilden bereits gemachte Erfahrungen nicht die alleinige Bewertungsgrundlage – viel wichtiger sind die zukünftiger Potenziale und das Wissen darüber, wie diese für ein Unternehmen erschlossen werden können. CLV, Kundenlebenszeitwert, Kundenwert, Unternehmensberatung, Franken-Consulting
Jedes Unternehmen sollte eine individuelle Bewertungsmatrix entwickeln, welche die relevanten Werttreiber listet und priorisiert. Mit solch einem Instrument lassen sich dann Kunden mit Blick auf harte und weiche Faktoren klassifizieren. Beispielsweise könnten die mit einem Kunden erzielten Umsätze und Margen positiv sein, aber nach Berücksichtigung von Betreuungskosten, Retouren, Werbekostenzuschüssen und Jahresboni etc. wäre es dennoch möglich, dass sich die Rentabilität der Geschäftsbeziehung als negativ entpuppt. Aber auch weiche Faktoren wie die Imagewirkung der Kundenbeziehung oder eine eventuelle strategische Bedeutung könnten wichtig sein. Ein Kunde kann auch Ideengeber oder Kreativpartner oder Ähnliches sein. Worauf es im Detail ankommt, dürfte wohl je nach Unternehmen bzw. Geschäftsmodell unterschiedlich sein.
Fazit
Der Wert eines Kunden wurde von den meisten Unternehmen bzw. von deren Vertrieblern und sonstigen Vertretern eigentlich schon immer irgendwie bestimmt. Dies geschah aber oftmals entweder eher emotional oder auf der Grundlage nicht umfassender Daten. CLV, Kundenlebenszeitwert, Kundenwert, Unternehmensberatung, Franken-Consulting
Mit den jetzt und zukünftig zur Verfügung stehenden Instrumenten aus den Bereichen Big Data und Advanced Analytics wird es möglich, die Zuverlässigkeit der zu gewinnenden Aussagen zu maximieren, um die Rentabilität und das Erlebnis für die – im Sinne des Unternehmens – wirklich guten Kunden zu maximieren. CLV, Kundenlebenszeitwert, Kundenwert, Unternehmensberatung, Franken-Consulting
Natürlich wird sich so mancher ungerecht behandelt fühlen, aber auch bei Geschäftsbeziehungen ist zu beachten, dass diese nur dann zukunftsfähig sein können, wenn sie ausgewogen sind. Wenn eine Seite ihre Vorteile durch gezielt verursachte Nachteile beim Geschäftspartner „verdient“, so bildet dieses Verhalten keine Basis für ein gedeihliches Miteinander. Wen wundert es, wenn der übervorteilte Geschäftspartner dann die Geschäftsbeziehung verlässt oder zumindest neu definiert? CLV, Kundenlebenszeitwert, Kundenwert, Unternehmensberatung, Franken-Consulting